Das Weihnachtsbündel
oder: Wie weit ist wohin?
Hannelore und Eugen stehen einsame Weihnachten bevor. Nicht genug, dass sie gerade
eine Art Pensionsschock erleiden, outet ihr 38jähriger Sohn Julian, der in ihrer alten Villa
den ersten Stock bewohnt hatte, seine Liebe zu einem Mann - nach einem heftigen Streit ist er
nun zu seinem Partner in eine winzige Dachgeschoßwohnung ins Zentrum der Stadt gezogen.
Im Haus ist es jetzt seltsam still geworden. Das alljährliche Nussknacker - Ballett steht vor der Türe,
aber ohne gemeinsames Familienessen danach, scheint keine große Vorfreude aufzukommen.
Hannelore hat soeben das Taxi angerufen, das sie in die Oper fahren soll, als es erstaunlich schnell
läutet. Sie eilt nach außen - da liegt etwas vor der Türe, das in ihr Leben bald eine große Wende
bringen soll: Eine große Tragtasche mit einem Baby. Beigelegt zwei Briefe. Eines der Kuverts ist
offen, das andere zusätzlich mit einem Klebestreifen versiegelt. Gerichtet an Julian.
Ronald Rudoll entzündet in seiner Weihnachtskomödie viele Pointen und so manches
Licht am Baum. Was macht ein in die Jahre gekommenes Ehepaar aus der wilden
flower-power-Zeit, wenn die Toleranz in den eigenen vier Wänden gefragt ist? Der Sohn
ist schwul, und dann liegt da ein Kind vor der Tür, das offensichtlich doch seines ist? Und
dieses Kind hat eine Mutter, die aus einem fernen Land kommt und deren Antrag auf Asyl
abgelehnt wurde? Jetzt ist Haltung gefragt. Wo sind die hohen Ideale der 68-Jahre? Wo bleibt
bei dem mittlerweile im gehobenen Wohlstand etablierten Paar die Liebe? Wie geht es um mit
Homosexualität und Integration? Das Christkind vor der Tür bringt Licht ins Dunkel und gibt
dem Weihnachtsfest wieder einen Sinn, den es längst verloren hat.